00:00:01: Friedrichs Flaschenpost, der Politik-Podcast aus Norddeutschland von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:00:07: Herzlich willkommen zu Friedrichs Flaschenpost, dem Politik-Podcast aus Norddeutschland
00:00:11: von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:00:13: Danke für dein Ohr, sagt am Mikrofon Christine Strotmann, heute aus Hamburg.
00:00:18: Heute haben wir uns ein großes Thema vorgenommen, und zwar sprechen wir über Menschenrechte.
00:00:24: Weltweit stehen diese unter Druck genauso wie die Meinungsfreiheit,
00:00:28: die Demokratie so überhaupt vorhanden.
00:00:31: Und immer wieder gibt es einige wenige, die aufbegehren gegen Verfolgung und
00:00:35: Unterdrückung und diese Menschen sollten wir stärken. Nur wie?
00:00:39: Heute spreche ich mit einer Expertin dazu, Martina Bäurle, Geschäftsführerin
00:00:43: der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Herzlich willkommen, liebe Martina.
00:00:48: Dankeschön, herzlich willkommen. Wie schön, dass du dir die Zeit nimmst.
00:00:51: Heute bist du einmal der Gesprächsgast, dabei sorgst du ja eigentlich dafür,
00:00:55: dass andere eine Bühne bekommen, im Mittelpunkt stehen und vor allem gehört werden.
00:01:00: Martina, ich stelle dich kurz noch ein bisschen ausführlicher vor für unsere Hörerinnen und Hörer.
00:01:05: Du bist in Flensburg geboren, hast hier in Hamburg studiert,
00:01:08: du bist Philologin und du warst danach beruflich in sehr vielen internationalen Kontexten aktiv.
00:01:13: So warst du unter anderem bis Anfang der Nullerjahre wissenschaftliche Mitarbeiterin
00:01:19: für Öffentlichkeitsarbeit der Ausländerbeauftragten des Hamburger Senats.
00:01:24: Und schon seit 1991 bist du Geschäftsführerin der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.
00:01:31: Darüber wollen wir heute vor allem sprechen und ich freue mich auf deinen Input
00:01:34: und unser spannendes Gespräch mit einem spannenden Gast.
00:01:37: Martina, wir, die Friedrich-Ebert-Stiftung und ihr, wir kooperieren ja nun schon
00:01:41: auch seit 2018 und stellen jährlich einen eurer Gäste und deren Arbeit in einer Veranstaltung vor.
00:01:47: Was ist aus deiner Sicht das Ziel der Veranstaltung? Dass ein Stiftungsgast
00:01:52: vorgestellt wird, der über sein Land sprechen kann, über seine Erfahrung,
00:01:56: was ihm passiert ist und...
00:01:58: Ich finde, es ist eine wunderbare Kooperation mit sehr hochkarätigen zweiten Gesprächspartnern.
00:02:05: Das Publikum hat im Anschluss die Möglichkeit zu fragen.
00:02:09: Und so entsteht so eine ganz runde Veranstaltung von jemandem,
00:02:13: der direkt betroffen ist, der mit frischesten Hintergrundinformationen kommt
00:02:18: und ein deutsches Publikum erreicht.
00:02:21: Oder ein großes Publikum hier in Hamburg erreicht. Das finde ich sehr schön.
00:02:26: Wunderbar. Damit sich unsere Hörerinnen und Hörer vielleicht auch besser vorstellen
00:02:32: können, was das für Veranstaltungen sind.
00:02:33: Wir beide haben uns ja zuletzt, ich glaube, im Oktober gesehen,
00:02:36: Oktober 2024 in unserem Büro und da hatten wir eine Veranstaltung mit Amir Aman Kiaro aus Äthiopien.
00:02:45: Was ist denn aus ihm geworden? Also Amir Amman Kiyaro ist immer noch aktueller Stiftungsgast.
00:02:50: Er ist immer noch hier in Hamburg und arbeitet an einem sehr spannenden Projekt,
00:02:55: das er dann umsetzen möchte, wenn er dann im Mai zurückgeht.
00:02:59: Wir sind ja eine Stiftung, die Auszeitstipendien gibt und deswegen ist seine
00:03:06: Zeit auch begrenzt. Und er freut sich einfach an Schnee, auch hier in Hamburg.
00:03:12: Das ist für ihn ganz ungewöhnlich gewesen.
00:03:14: Er hat einen Aufenthaltsstatus zusammen mit seiner Familie, die ihm erlaubt,
00:03:17: zu reisen. Er war auch in der Schweiz und hat sich Berge angeguckt.
00:03:21: Also das ist ja auch die Idee des Kulturaustausches etwas anzugucken und
00:03:27: gleichzeitig aber auch Kraft und Mut zu schöpfen, um wieder zurückzugehen und
00:03:32: dort weiter für Demokratie und Freiheit zu arbeiten.
00:03:34: Und das macht er und wird machen. Wunderbar, vielen Dank. Da freue ich mich
00:03:38: natürlich erstmal zu hören, dass es an mir gut geht.
00:03:41: Dann lass uns doch noch einmal ein bisschen tiefer eintauchen in eure Stiftungsarbeit.
00:03:47: Die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte gibt es, glaube ich,
00:03:51: schon relativ lange. Ich hatte vorhin gesagt, du bist Geschäftsführerin seit 1991
00:03:55: Wann und wie kam es denn zu dieser Stiftungsgründung? Die Stiftung gibt es tatsächlich
00:03:59: länger, als dass ich sie führe.
00:04:01: Sie gibt es seit 39 Jahren, also gegründet 1986.
00:04:06: Und sie wurde gegründet von dem damaligen ersten Bürgermeister Klaus
00:04:10: von Dohnanyi weil er gerne eine Stiftung wollte.
00:04:14: Die politisch Verfolgten hilft aufgrund seiner eigenen Biografie und er hat
00:04:20: dann in die Stiftungssatzung einen Präambel schreiben lassen,
00:04:23: in Gedenken an die Opfer des NS-Regimes und an denjenigen, die auch heute noch
00:04:29: sich für Demokratie und Freiheit einlassen und einsetzen und dafür verfolgt werden,
00:04:34: ein Auszeitstipendium zu schaffen.
00:04:36: Eine Zeit, um Kraft und Mut zu schöpfen, um die Arbeit im Heimatland wieder aufnehmen zu können.
00:04:42: Und so hat er dann die Stiftung gegründet und hat sich Partner gesucht.
00:04:48: Es ist ein einstimmiger Beschluss der Bürgerschaft auch gewesen.
00:04:52: Und nichtsdestotrotz ist diese Stiftung eine Privatstiftung,
00:04:55: also ist nicht eine Senatstiftung.
00:04:58: Und das ist auch sehr wichtig wegen der Unabhängigkeit.
00:05:02: Und was kann man noch zu der Stiftung sagen? Sie hat eine spezielle,
00:05:08: sehr besondere Zusammensetzung des Vorstandes, weil in der Stiftung,
00:05:14: in der Satzung steht jeweils der amtierende Bürgermeister, sein Vorsitzender sein.
00:05:19: Das hat den großen Vorteil, dass wir Zugang zum Auswärtigen Amt haben,
00:05:23: dass wir uns auch über den Bürgermeister Türen öffnen können,
00:05:27: wenn wir das brauchen, wenn wir das für die Stiftungsgäste brauchen,
00:05:30: die vielleicht im Gefängnis sitzen, die vielleicht nicht ausreisen können.
00:05:34: Das hat in der Vergangenheit doch sehr oft geholfen, diese Schiene.
00:05:37: Aber trotzdem sind wir NGO.
00:05:40: Da ist es ganz wichtig, dass wir privat sind.
00:05:45: Das heißt, das hat auch immer geklappt mit den letzten Bürgermeistern,
00:05:48: dass die den Vorsitz übernehmen wollten?
00:05:51: Die haben gar keine Chance, ob sie es übernehmen möchten oder nicht,
00:05:54: denn das steht in der Satzung.
00:05:56: Also wenn sie die Satzung ändern möchten und sagen, ich möchte aber das nicht
00:06:00: werden oder ich möchte das gar nicht annehmen, das Amt, dann müssen alle sieben
00:06:04: Vorstandsmitglieder zustimmen, dass die Satzung geändert wird und die Mehrheit bekommen sie nicht.
00:06:09: Weil wir sind froh, dass das so ist und sind über die Unterstützung der Stadt
00:06:15: Hamburg, sage ich jetzt mal, doch sehr froh, diese Stiftung zu haben.
00:06:21: Nun hast du schon gesagt, ihr seid eine private NGO und das ist auch sehr wichtig für eure Arbeit.
00:06:26: Dann frage ich ganz indiskret, wie finanziert sich denn so eine NGO?
00:06:30: Ja, die NGOs, die finanziert sich über Spenden maßgeblich, über Anträge.
00:06:37: Es gibt immer auch Förderstiftungen oder in Brüssel gibt es eine wunderbare
00:06:41: Plattform, die heißt Protect Defenders.
00:06:43: Da kann man sich bewerben und einen Fall vorstellen und sagen,
00:06:48: die möchten wir gerne einladen.
00:06:49: Das ist eine der Fördermöglichkeiten.
00:06:53: Aber auch Hamburg hat sich verantwortlich gezeigt und hat gesagt,
00:06:57: sie findet die Stiftung so gut, dass sie sie unterstützen möchte.
00:07:01: Sie sind stolz auf diese Stiftung und wir bekommen auch drei Stipendien.
00:07:07: Von der Stadt Hamburg inzwischen pro Jahr finanziert.
00:07:10: Was wunderbar ist, denn wir wollen ja bis zu fünf einladen können mit Familien
00:07:16: und insofern ist das schon mal von Anfang an, von Jahresbeginn an eine Finanzierung möglich,
00:07:23: dass drei gesichert, drei Stipendien sind gesichert.
00:07:26: Aber nichtsdestotrotz müssen wir weiter Gelder immer einwerben,
00:07:31: was natürlich nicht so ganz einfach ist. Das Thema ist schwer.
00:07:36: Ich finde eigentlich nicht, weil wenn man hört politisch Verfolgte,
00:07:40: denkt man irgendwie an die Beladenen.
00:07:43: Aber ich empfinde die ganz anders. Die Mutigen, die Menschenrechtsbotschafter,
00:07:48: das sind Leute, die sich engagiert haben schon vor 20 Jahren für eine Sache, die brennen.
00:07:55: Aber es gibt natürlich einige Berührungsängste manchmal bei Privatspendern,
00:08:00: die sagen, ach, haben sie nicht was mit Kindern oder Tieren oder den Stadtteil,
00:08:05: Kindergarten, das ist doch irgendwie unverdächtiger oder so.
00:08:07: Da muss ich ein bisschen erzählen von diesen tollen Leuten, die da kommen und
00:08:12: die eigentlich auch für unsere Demokratie kämpfen.
00:08:15: Und jetzt erst recht in unseren Zeiten, wenn jemand auftritt und erzählt,
00:08:20: wie es in seinem Land ist, können wir auch ein bisschen Rückschlüsse ziehen,
00:08:23: wie es werden kann in unserem, wenn immer mehr die pressefreier Demokratiewerte.
00:08:30: Vernachlässigt werden.
00:08:31: Also ich denke, dass unsere Leute sehr wichtig jetzt auch in unserem Raum sind,
00:08:36: weil sie auftreten und über ihre Erfahrungen sprechen.
00:08:41: Ist die Stiftung eine Hamburg-Gänsehe oder gibt es noch ähnliche Stiftungen, die du kennst?
00:08:46: Sie ist eine Hamburg-Gänsehe. Ich mag den Namen auch sehr gerne,
00:08:49: weil das beinhaltet irgendwas Kleines, Edles, Feines. Das ist sie auch.
00:08:53: Sie ist nicht groß und ich sagte ja auch anfangs, dass sie bis zu fünf einladen
00:08:57: möchte. Da denkt man ja, ja, Fünf.
00:08:59: Aber das ist wunderbar, alle fünf Stimmen pro Jahr zu retten,
00:09:03: ist was Besonderes. Gibt es noch andere?
00:09:05: Es gibt noch andere Organisationen, natürlich meine Kollegen.
00:09:10: Zum Beispiel Penn, Writers in Exile oder Reporter ohne Grenzen,
00:09:14: die haben auch Stipendien, sind aber gebunden an entweder Schriftsteller,
00:09:19: wie der Name natürlich sagt, oder Reporter ohne Grenzen, Journalisten, Medienschaffende.
00:09:23: Sie können nicht wie wir, und das ist der Unterschied, da sind wir einzigartig,
00:09:28: wir können unabhängig von Beruf und Ländern alle einladen.
00:09:32: Und da kommen dann von Bauernführer aus Kolumbien bis hin zu Künstlern,
00:09:39: Journalisten, Wissenschaftlern.
00:09:41: Also es ist offen, während andere Kollegen und Organisationen da eben nur für
00:09:48: ihre Klientel etwas tun können.
00:09:51: Es gibt in Leipzig auch noch ein wunderbares Programm.
00:09:55: Die sind sogar noch eingeschränkt auf Länderschwerpunkte, dass sie nur innerhalb
00:10:01: von EU und noch EU-assoziierte Länder einladen können.
00:10:05: Und insofern sind wir sehr, sehr offen und das ist einzigartig.
00:10:10: Du hast ja vorhin gesagt, bei der Gründung warst du noch nicht bei der Stiftung.
00:10:14: Aber kannst du dir erklären, warum die ausgerechnet in Hamburg gegründet wurde dann?
00:10:18: Das hat mit Klaus von Dohnanyi zu tun. Das war sein ganz persönliches Projekt.
00:10:22: Das war sein persönlicher Wunsch.
00:10:25: Aufgrund seiner Familiengeschichte, wir wissen ja, Hans von Dohnanyi war ein Widerstandskämpfer, sein Vater.
00:10:30: Und er ist noch kurz vor Kriegsende auf persönlichen Befehl von Hitler aufgehängt worden.
00:10:37: Also als Racheakt. Er hat lange im Gefängnis auch überleben können und das ist
00:10:43: natürlich ein großes Trauma dieser Familie auch und Klaas von Dohnanyi hat beschlossen,
00:10:48: Politiker zu werden und er hat gesagt, er möchte so eine Stiftung haben.
00:10:51: Er nennt nicht seinen Vater.
00:10:54: Wenn er gefragt wird, warum er diese Stiftung hat gegründet wollen oder gegründet hat.
00:11:00: Sagt er immer, er denkt an so Leute wie Robert Musil, der in der Schweiz manchmal
00:11:05: nicht mal mehr 20 Mark hatte, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.
00:11:11: Also die Armut von tollen Leuten, die ins Exil haben gehen müssen.
00:11:16: Und er möchte gerne solche Leute, die es ja heute genauso gibt wie Robert Musil,
00:11:21: ihnen einfach ein Auszeitstipendium, eine Möglichkeit eines Aufenthalts,
00:11:27: wo alles auch finanziert ist, wo es eine Wohnung gibt, wo es einen Lebensunterhalt
00:11:33: gibt, wo ein Mal Ruhe reinkommen kann und wo derjenige sich neu orientieren,
00:11:38: sortieren kann. Wie geht es weiter?
00:11:40: Welche Möglichkeiten habe ich? Oder sich einfach auch mal erholen kann von all denen.
00:11:46: Wir hatten viele Menschen, die natürlich einen Burnout hatten,
00:11:50: die vielleicht direkt aus dem Gefängniskern gefoltert worden sind,
00:11:54: die Depressionen hatten.
00:11:57: Und die haben sich dann hier erholen können in der Sicherheit.
00:12:01: Und was wir natürlich bitten können, ist erstmal auch ein Ort der Sicherheit.
00:12:04: Das ist auch ganz wichtig.
00:12:07: Vielen Dank, liebe Martina. Dann haben wir schon relativ viel über die Stiftung gelernt.
00:12:11: Ich würde mir jetzt erlauben, noch ein bisschen mehr über dich persönlich lernen zu wollen.
00:12:15: Und wir fangen an mit unserem beliebten Spiel. Friedrich fragt,
00:12:19: das Prinzip ist sehr einfach.
00:12:20: Es ist wie Kaffee oder Tee. Ich stelle dir also spontan eine Entweder-Oder-Frage,
00:12:25: die du auch bitte mit Entweder-Oder beantwortest.
00:12:28: Und wir legen mal los. Wir fangen an mit dem Hamburg-Klassiker.
00:12:32: Magst du lieber die Elbe oder lieber die Alster? Elbe.
00:12:36: Wenn du unterwegs bist, bist du eher an der Nord- oder an der Ostsee? Ostsee.
00:12:41: Wenn du Feierabend hast bei deinem Job, legst du dann die Füße hoch oder bist
00:12:46: noch aktiv? Ich bin noch aktiv.
00:12:48: Liest du eher Krimis oder eher Romane? Romane.
00:12:52: Wenn du nicht Geschäftsführerin der Stiftung geworden wärst oder jetzt nicht
00:12:56: wärst, wärst du dann stattdessen Krankenschwester geworden oder Lehrerin? Ornithologin.
00:13:03: Klassischer entweder oder. Dann machen wir noch zwei.
00:13:07: Wenn du unterwegs bist, wenn du sportlich unterwegs bist, ist das eher laufend
00:13:12: oder eher schwimmend? Schwimmend.
00:13:15: Wunderbar. Und wenn du dir eine andere Stadt außer Hamburg aussuchen könntest,
00:13:19: wäre das Flensburg oder München? Flensburg.
00:13:22: Wunderbar. Vielen Dank. Da haben wir schon ein bisschen über dich erfahren auf die Stelle.
00:13:27: Dann erzähl uns doch nochmal, wie kamst du denn eigentlich zur Stiftung?
00:13:31: Ich hatte es gesagt, Anfang der 90er bist du Geschäftsführerin geworden. Wie kam es dazu?
00:13:35: Ich habe studiert im Ausland in Frankreich und in Spanien, in Madrid.
00:13:42: Und ich habe besonders in Frankreich ein halbes Jahr an der Universität Rouen
00:13:47: studiert. Und dort habe ich Latinos kennengelernt, Chilenos.
00:13:52: Das war so eine typische Musikantengruppe auf der Straße. Ich fühlte mich nicht
00:13:57: so ganz wohl in Frankreich.
00:13:59: Ich kriegte nicht so den Anschluss.
00:14:01: Das war nicht so ganz einfach. Aber mit den Latinos war das so leicht.
00:14:04: Ich hatte ja auch die zweite Sprache, Spanisch.
00:14:07: Das war ja mein zweites Fach. und dann kam ich mit denen ins Gespräch und die haben mir,
00:14:11: besonders der Chileno hat mir erzählt, dass er im Widerstand gewesen ist und
00:14:16: wie er gefoltert worden ist und wie er jetzt als Flüchtling in Frankreich Asyl
00:14:21: bekommen hat und eben Musikant auch war und sich damit etwas zuverdient hatte
00:14:26: und da habe ich viele, viele lange.
00:14:30: Nachmittag und Abende zugehört und habe gedacht, ich will nicht nur Literatur
00:14:36: studieren, ich möchte was mit dieser Sprache auf Sinnvolles anfangen.
00:14:40: Und habe mir vorgenommen, wenn ich aus Frankreich zurückkomme an die Universität
00:14:44: Hamburg, dann möchte ich irgendwie
00:14:46: mich engagieren für politisch Verfolgte in Chile. Und so fing es an.
00:14:51: Also ich bin in einen Menschenrechtsverein gegangen für politisch Verfolgte
00:14:55: und Verschwundene, so hieß es, in Chile und habe da sehr lange übersetzt und
00:15:01: bin aufgetreten und habe das Komitee geführt.
00:15:06: Und bin auch sehr nah an die Geschichte gekommen, weil ich auch diejenige war,
00:15:11: die dann auch Folterzeugnisse übersetzt hat, was das ist eigentlich,
00:15:15: wenn man sehr jung ist und noch nicht so einen Abstand hat, sehr schwer war.
00:15:20: Ich bin teilweise dreimal um die Alster gelaufen, weil man diese Bilder gar nicht loskriegt.
00:15:24: Es war wichtig, dass man davon erfuhr, was passiert war, was Pinochet in den
00:15:31: Foltergefängnissen machte.
00:15:33: Und so mit dieser Arbeit bin ich aufgefallen dem damaligen Generalsekretär von
00:15:40: Amnesty International, das war Helmut Frenz.
00:15:43: Der war aber vorher Bischof, es war ein Kirchenmann, Bischof in Chile gewesen, als Deutscher.
00:15:49: Und der ist dann zurückgegangen, der wurde verbannt von Pinochet aufgrund seiner
00:15:54: Menschenrechtsarbeit in Chile und ich bin ihm aufgefallen und er sprach mich an und sagte,
00:15:59: wir haben da eine Stiftung und
00:16:01: die heißt Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und wir haben keine.
00:16:06: Geschäftsführerin, wir wollen aber gerne Menschen einladen, die politisch verfolgt sind,
00:16:12: sei es Lateinamerika, Asien oder Afrika und ich beobachte dich schon länger
00:16:17: in deiner Arbeit, mit deinem Herzen, mit deinem Engagement, mit deiner Empathie.
00:16:23: Ich möchte, dass du die Stiftung führst. Und da war ich völlig überrascht und
00:16:27: habe gesagt, naja, ich bin ja noch jung, ich bin ja erst so 28.
00:16:32: Und er sagte, ich helfe dir, da reinzuwachsen, aber du bist die Richtige dafür,
00:16:37: um diese Stiftung weiterzubringen, aufzubauen.
00:16:41: Und so ist es auch gekommen. Also ich finde das immer ganz toll,
00:16:46: dass so im Leben gibt es immer irgendeinen, der einen führt oder dem man begegnet
00:16:50: und man bekommt irgendwie ein Angebot oder eine Chance.
00:16:54: Und dann hat man die Möglichkeit, man nimmt sie, man springt,
00:16:58: man probiert es aus oder man hat sie nicht wahrgenommen.
00:17:03: Aber es gibt, also ich bin jetzt nämlich auch diejenige, so ein bisschen wie
00:17:08: Helmut Frenz, dass die Stiftungsgäste ihnen irgendeinen Weg aufzeigt.
00:17:13: Guck mal, das würde noch gehen und da könnten wir uns noch engagieren.
00:17:17: Es sind sehr viele, die Stipendien bekommen haben, weitergekommen sind oder
00:17:21: irgendwie tolle Berufe, weil ich da mit begleitet habe. Also das mache ich weiterhin.
00:17:27: Also es ist mir ja auch so ergangen, dass mich einer an die Hand genommen hat.
00:17:32: Chancengeberin ist ein ziemlich schöner Beruf, würde ich sagen.
00:17:35: Lass uns nochmal kurz zurücklaufen. Du hast gesagt, du warst im Studium schon
00:17:40: viel international unterwegs.
00:17:42: War das ein frühes Interesse bei dir? Warst du schon immer jemand,
00:17:45: der so ein bisschen durch die Welt tingelte? Ja, das war ich wohl,
00:17:48: weil das hat mit meinen Genen zu tun, würde ich sagen.
00:17:51: Und da denke ich an meinen Vater, weil ich hatte einen wunderbaren Vater auf
00:17:57: eine wunderbare Mutter und der Vater war aber zur See gefahren in seiner Jugend.
00:18:02: Der kam aus einem ganz kleinen Dorf in Bayern und hatte immer die Sehnsucht
00:18:09: zum Meer und hat dann die ganze Welt bereist und das glaube ich, das hatte ich in mir.
00:18:15: Und ich hatte dann schon mit 17 Jahren, da war ich noch minderjährig,
00:18:18: zu ihm dann gleich gesagt, und jetzt fahre ich nach Paris.
00:18:22: Das möchte ich mir mal angucken. Da sagte mein Vater, nein, das kannst du gar
00:18:24: nicht, du bist ja minderjährig, du kannst nicht einfach losfahren und nach Paris,
00:18:28: da habe ich Angst um dich.
00:18:29: Aber ich habe es gemacht und mit 18 war ich dann in Ägypten und dann war ich
00:18:34: in Israel und so ging es immer weiter.
00:18:36: Indien und Zimbabwe, ich habe mir alles Mögliche angeguckt und ich denke,
00:18:39: dieses Fernweh und diese Erzählung,
00:18:42: die ich von ihm habe, wie schön diese Welt ist und wie toll andere Kulturen
00:18:48: und andere Länder sind, das habe ich von ihm und dann habe ich mir die Welt angeguckt.
00:18:53: Und jetzt habe ich sogar noch so einen Beruf, das kam ja erst viel später.
00:18:58: Dann erzähl uns doch mal, dann springen wir wieder zurück in die Jetzt-Zeit.
00:19:02: Ich habe mich so ein bisschen gefragt, du hast ja gesagt, ihr habt bis zu fünf
00:19:04: Stipendiaten und Stipendiatinnen jedes Jahr, die zum Teil mit Familie kommen.
00:19:09: Die kommen aus ganz unterschiedlichen Ländern auf der Welt, die haben unterschiedliche
00:19:12: Berufe oder sind aktivistisch unterschiedlich unterwegs.
00:19:16: Wie kann denn da, wenn du einen hast, ein typischer Arbeitstag aussehen?
00:19:20: Ja, ein typischer Arbeitstag, der ist im Büro.
00:19:23: Und also chaotisch ist der auf jeden Fall immer. Ich komme ins Büro und habe
00:19:28: mir vorgenommen, das und das und das ist jetzt wichtig und das schreibe ich
00:19:32: und dann ist alles anders.
00:19:34: Ich komme da rein und dann ist wieder ein Notfall oder ein Anruf oder ich muss
00:19:37: die Prioritätenliste wieder anders sortieren. Das ist ganz normal.
00:19:42: Also diese Flexibilität muss man haben und Mut zur Mücke.
00:19:46: Also irgendetwas bleibt liegen, was dann den nächsten Tag angeguckt wird.
00:19:49: Und dann geht das wieder von vorn los.
00:19:50: Das, was man eigentlich abarbeiten wollte. Also es ist auch viel Administration.
00:19:56: So wunderschön es ist, wenn die Stiftungsgäste ankommen am Flughafen,
00:20:00: wo ich sie abholen kann und wir dann zusammenarbeiten und uns kennenlernen.
00:20:04: Und ich höre, die Welt kommt ja zu mir. Sie erzählen mir dann Äthiopien.
00:20:10: Darüber wusste ich nicht viel. Aber erst mal, bis sie dann kommen,
00:20:14: muss ich natürlich gucken, dass sie ein Einreisevisum bekommen. Das ist administrativ.
00:20:19: Also ich habe zu tun mit deutschen Botschaften, ich habe zu tun mit der Hamburger Ausländerbehörde,
00:20:25: Gut, das sind dann die Dinge, die Voraussetzungen sind für die Einladung und
00:20:31: wenn sie dann kommen, dann können wir in die inhaltliche Arbeit gehen und das ist immer sehr schön.
00:20:37: Und es ist auch nicht nur, dass es wichtig ist, dass sie auftreten oder dass
00:20:43: sie über sich sprechen oder etwas schreiben, sodass dann auch unsere Öffentlichkeit davon erfährt.
00:20:49: Es ist auch schön irgendwie zu sehen, wenn sie doch sehr vielleicht auch gedrückt
00:20:56: ankommen aufgrund dessen, was
00:20:57: sie erlebt haben und dann so in den nächsten Monaten langsam so aufblühen.
00:21:03: Also es gibt Sihem Bensedrine zum Beispiel, sagte mir, das ist eine tunesische
00:21:09: Journalistin, die im Übrigen im Moment im Gefängnis ist und im Hungerstreik.
00:21:14: Nach vielen, vielen Jahren, in denen sie wieder in Tunesien ist.
00:21:18: Und sie sagte aber, als sie in Hamburg war, war es so wunderschön,
00:21:21: durch den Park gehen zu können, ohne dass jemand hinter einem hinterherläuft
00:21:26: mit einem richtigen Mikrofon und alles, was man, oder überhaupt jemanden im Rücken zu haben.
00:21:31: Sie sagte, ich gehe und ich bin eine von vielen, ich bin eine Parkbesucherin
00:21:36: oder ein anderer, das war ein Tschetschene.
00:21:40: Da hatte ich mich verabredet, das ist eine Familie und habe gesagt,
00:21:43: ich komme um drei und als ich dann klingelte und aufmachte, war er noch im Schlafanzug
00:21:49: und da dachte ich so, oh Gott.
00:21:50: Da sagte ich, aber Gerichan, ich habe doch gesagt, ich komme um drei.
00:21:53: Sagt er, ja, Entschuldige, es ist so eine Freiheit, einen Schlafanzug anzuhaben.
00:21:58: Weißt du, dass ich drei Jahre lang immer in ganzer Montur geschlafen habe,
00:22:03: weil ich immer damit gerechnet habe, dass sie kommen und mich abholen.
00:22:06: Und da wollte ich wenigstens nicht im Schlafanzug sein, da wollte ich Stiefel
00:22:09: anhaben, da wollte ich eine Hose und ein Hemd anhaben.
00:22:12: Aber jetzt hier ist das so eine Freiheit.
00:22:14: Das sind so kleine Geschichten, die das vielleicht ein bisschen plastischer
00:22:18: machen, was es bedeutet.
00:22:19: Das ist nicht nur Sicherheit vor Anschlägen und Morddrohungen,
00:22:24: es ist manchmal auch im Kleinen, dass man sich entspannen kann,
00:22:27: dass man einfach mal ein normales Leben, was für uns so normal ist,
00:22:31: hier auch wieder leben kann.
00:22:34: Und dass man, viele Frauen hier haben auch schwimmen gelernt,
00:22:38: das ist nicht so üblich in vielen
00:22:41: Ländern oder Fahrradfahren und das ist irgendwie, hat viel Spaß gemacht.
00:22:46: Also dass es dem Leben auch wieder eine Nuance gibt, was auch alltäglich ist,
00:22:51: finde ich genauso wichtig wie die anderen Sachen, sich eben einsetzen für Demokratie und Freiheit.
00:22:56: Auch weiterhin mit den anderen Menschen natürlich im Heimatland verbunden zu sein.
00:23:01: Ja, das ist ja ein schönes Stichwort. Sich einsetzen für Demokratie und Freiheit
00:23:04: steht ja gar nicht im Gegensatz.
00:23:06: Das ist ja genau die Freiheit, die wir alle haben und die uns,
00:23:09: Gott sei Dank, jetzt Tag ein, Tag aus nicht unbedingt einfällt,
00:23:13: wenn wir darüber nachdenken, was Freiheit vielleicht bedeutet.
00:23:16: Da bist du natürlich sehr viel näher dran, wenn du mit vielen Menschen in Kontakt
00:23:19: bist, die das nicht haben.
00:23:22: Du hast gesagt, ihr nehmt bis zu fünf Menschen aktuell im Jahr auf.
00:23:26: Ich stelle mir das unglaublich schwierig vor, die auszuwählen.
00:23:29: Wie kommt ihr an eure Stipendiatin? Das ist auch richtig.
00:23:32: Das ist sehr, sehr schwer auszuwählen. Ich bin immer froh, sagen zu können,
00:23:36: ich habe kein Stimmrecht.
00:23:37: Das ist wunderbar, weil ich bin diejenige, die mit den Menschen in Kontakt ist
00:23:43: und die Bewerbung entgegennehme und nachfrage, wenn Fragen zu stellen sind.
00:23:48: Und insofern bin ich schon ganz nah dran und ich könnte überhaupt keine Entscheidung treffen.
00:23:53: Ich könnte nicht wählen. Ich würde sie ja alle nehmen.
00:23:56: Insofern ist es gut, dass es einen Vorstand gibt, einen siebenköpfigen Vorstand,
00:24:00: der sich einmal im Jahr zusammensetzt und sorgfältig die Bewerbungen liest und
00:24:08: daraus eine Auswahl treffen muss.
00:24:11: Und da wird diskutiert, letztes Mal mussten sie sogar nachsitzen,
00:24:15: weil sie konnten sich nicht einigen.
00:24:17: Also da ging es ihnen eigentlich ähnlich wie mir. Da gab es unterschiedliche Stimmen.
00:24:22: Und am Ende wurden Kriterien des Gefährdungsgrades oder gibt es noch eine andere
00:24:27: Organisation, die auch helfen könnte?
00:24:29: Oder gibt es jemanden, den wir weiterempfehlen oder eine weiterempfehlende Organisation?
00:24:35: Ich bekomme natürlich viel mehr Bewerbungen
00:24:40: Über das ganze Jahr, als wir aufnehmen können, das ist richtig,
00:24:44: das ist auch belastend, weil es sind so tolle Bewerbungen und vor allen Dingen
00:24:49: auch aus Afghanistan und Bangladesch, das sind so Länder,
00:24:55: die islamistisch, wo der Druck von Islamisten, Taliban oder auch in Bangladesch
00:25:00: sehr hoch ist und dort meinungsfrei sehr unterdrückt wird.
00:25:05: Und dann nicht aufnehmen zu können.
00:25:09: Also nur eine bestimmte Anzahl aufnehmen zu können, das ist sehr schwierig.
00:25:13: Und ich bin schon in dieser Zeit, in der ich dann das alles lese, sehr angespannt.
00:25:19: Und das Gute ist, dass ich einfach wahnsinnig gerne spazieren gehe.
00:25:24: Das ist mein Ausgleich dann. Ich gehe in die Natur und ich liebe Vögel.
00:25:30: Ich bin so eine Hobby-Vogelbeobachterin.
00:25:34: Und das entspannt mich oder ich gehe schwimmen, ich bin eine leidenschaftliche
00:25:38: Kraulerin, sodass man das ein bisschen abbaut und dann wieder neu guckt,
00:25:41: denn ich muss stark bleiben, damit ich für die anderen auch stark sein kann.
00:25:46: Und ich versuche dann auch ganz oft mit meinen Kollegen zu sehen,
00:25:50: ob ich nicht einen derjenigen, die wir nicht nehmen konnten,
00:25:54: vielleicht irgendwo anders als Anschluss oder als Anschlussstipendium oder ein
00:25:58: anderes Stipendium irgendwie weitererzählen kann.
00:26:01: Und Pen, Writers in Exil hat gut geklappt, wenn es Schriftsteller sind oder
00:26:06: Journalisten schreiben eine Zunft.
00:26:08: Wenn es Journalisten sind, gibt es auch paar Möglichkeiten.
00:26:12: Und insofern bleibt es aber trotzdem immer jedes Jahr neu zu einem Open Call, nennen wir das.
00:26:22: Wir können wieder einladen und dann spricht sich das auch sehr schnell um.
00:26:30: Du hast es vorhin Pen schon genannt und auch Reporter ohne Grenzen.
00:26:34: Ihr habt ja wahrscheinlich unheimlich viele andere Kooperationspartner.
00:26:37: Ich stelle mir so vor, dass du sehr gut vernetzt sein musst.
00:26:41: Was sind dann noch andere Partner, mit denen ihr arbeitet und wie genau?
00:26:44: Also wir arbeiten auch mit USA zusammen, da gibt es ja Committee to Protect
00:26:49: trans quest, da kommt zum Beispiel Amir her,
00:26:51: der in Äthiopier, er wurde von dieser Organisation uns vorgeschlagen und die
00:26:58: haben ihn auch sehr gut betreut und wir haben eine tolle Bewerbung bekommen.
00:27:02: Es gibt verschiedene Organisationen im Ausland.
00:27:06: Auch in Frankreich arbeite ich zusammen mit Organisationen.
00:27:11: Wir haben uns zusammengeschlossen und das ist das Gute über eine Brüsseler Plattform
00:27:16: und die nennt sich Protect Defenders.
00:27:19: Und da sind wir jetzt ungefähr 90 Organisationen weltweit, auch Lateinamerika ist da drin.
00:27:25: Kollegen und wir treffen uns einmal im Jahr und das organisiert dann Brüssel.
00:27:29: Also die Leute, das Team dort und dann treffen wir uns. Letztes Mal war es in
00:27:33: Berlin, aber oft auch in Brüssel selbst.
00:27:36: Und dann sind wir alle zusammen und dann kann man sich auch austauschen.
00:27:39: Wer hat welchen Kandidaten?
00:27:42: Wer braucht was? Und wo kann man noch beantragen?
00:27:46: Und das ist irgendwie, ich nenne das immer ein Familientreffen,
00:27:48: weil da muss man gar nicht so viel erzählen. Was mache ich eigentlich?
00:27:52: Was tue ich für Stiftungsgäste? Wie lade ich sie ein? Was sind unsere Schwierigkeiten?
00:27:56: Weil die anderen sind in dem gleichen Bereich und von daher sind wir da vernetzt.
00:28:01: Es gibt eine Mailinglist.
00:28:03: Also wenn ich irgendwie ein Problem habe, kann ich das reingeben und dann reift
00:28:06: 90 verschiedene Organisationen.
00:28:08: Und so bin ich auch ständig eigentlich im Kontakt.
00:28:12: Also ich mache sehr viel, wenn man, als du vorhin fragtest, wie sieht mein Alltag
00:28:17: aus, es ist auch viel, viel Korrespondenzpflege.
00:28:20: Also dass ich dann wieder einen anschreibe, ich habe jetzt den und den,
00:28:24: wollen wir nicht zusammenarbeiten dort, wollen wir nicht eine Veranstaltung zusammen machen.
00:28:29: Ich arbeite natürlich auch mit Hamburger Organisation zusammen,
00:28:33: Körperstiftung Friedrich-Ebert-Stiftung natürlich, um Veranstaltungen zu machen, Literaturhaus.
00:28:38: Die nächste Lesung wird im Literaturhaus stattfinden, damit es Auftritte gibt.
00:28:44: Also sehr, sehr nett und das nimmt auch viel Zeit in Anspruch,
00:28:49: macht aber auch viel Spaß.
00:28:51: Wie wählt ihr denn letztlich aus? Du hast schon gesagt, du machst es selbst
00:28:54: nicht, du nimmst diese zum Teil ja wirklich große Anzahl an Bewerbungen entgegen.
00:28:59: Aber was sind denn die harten Kriterien?
00:29:03: Dass sich jemand schon länger für Demokratie und Freiheit eingesetzt hat.
00:29:08: Also nicht jemand, der vielleicht irgendwie seit einem Jahr dabei ist,
00:29:11: sondern es ist eine Haltung, dass jemand im Land lebt und sagt,
00:29:18: Mensch, die Korruption,
00:29:20: die Ungerechtigkeit, die Armut oder die mangelnde Pressefreiheit,
00:29:24: das ist schon seit Jahren und das ist ein Kriterium.
00:29:29: Also da fallen leider viele Länder drunter, von Iran bis Russland und Co.
00:29:35: Es wird auch immer autokratischer.
00:29:37: Also viele Autokraten, wo es noch Möglichkeiten gab, die ziehen zu.
00:29:44: Also von Aserbaidschan bis Türkei, da wird immer mehr an der Pressefreiheit
00:29:50: und Demokratie eingeschränkt.
00:29:53: Also die Räume werden immer geringer.
00:29:55: Ein anderes Kriterium ist natürlich der Gefährdungsgrad. Also es gibt Unterschiede,
00:30:00: es gibt Repressionen, Verleumdungen, Kampagnen, es gibt auch Gefängnisaufenthalte.
00:30:05: Und wenn jemand gerade da rausgekommen ist, braucht er erst recht ein Jahr Erholung
00:30:10: oder erst mal Abstand von all dem, was passiert ist.
00:30:14: Das kann ein Kriterium sein. Ein drittes Kriterium kann das sein,
00:30:17: ist der ganz alleine auf sich gestellt oder sie?
00:30:20: Oder gibt es noch andere Kollegen wie Community Protect Defenders oder ICON,
00:30:25: die sitzen in Norwegen, in Stavanger, das heißt International Committee of Network Refuge.
00:30:33: Haben die auch schon von dem gehört, also wenn noch jemand Zweites ist,
00:30:37: kann man auch überlegen, ob
00:30:39: man nicht jemanden, der so im freien Fall noch ist. Aber letztendlich...
00:30:44: Ist das wirklich sehr schwer. Also Gott sei Dank haben wir keine Länderschwerpunkte.
00:30:49: Also jetzt haben wir zum zweiten Mal eine Türke ausgewählt.
00:30:54: Also es wird jetzt nicht geguckt, ach wollen wir mal irgendwie ein anderes exotisches
00:30:58: Land oder so, sondern es wird einfach tatsächlich nach der Bewerbung entschieden.
00:31:03: Und ja, der Vorstand muss sich da quälen und das tut er auch.
00:31:08: Ja, wenn der Vorstand sich quälen muss, ich bin sicher, du musst das manchmal
00:31:13: auch, Auch wenn du auf deine Berufskarriere jetzt bei der Stiftung schaust,
00:31:17: was hat dich denn besonders viel Nerven gekostet oder also eine konkrete Situation
00:31:21: oder dich vielleicht auch wirklich sehr belastet?
00:31:23: Belastet tun mich schon die Menschen, die Geschichten. Das sind ja auch keine
00:31:26: Fälle. Das sind ja richtig Personen.
00:31:29: Und es belastet mich, dass wir niemanden mehr aus Afghanistan einladen können.
00:31:33: Das hat mit der Bundesrepublik zu tun, weil es gibt keine Einreisevisa mehr.
00:31:38: Das ist gestoppt worden. Also als sich alle zurückzogen, das Militär zurückgezogen
00:31:43: hat, seitdem gibt es keine Einreise-Visa mehr.
00:31:46: Es gibt nur noch eine Liste, von der niemand so genau weiß, wer da draufsteht beim Auswärtigen Amt.
00:31:51: Aber ich bekomme sehr viele wunderbare Bewerbungen und das ist schon belastend,
00:31:57: wenn man hört von einer Schuldirektorin,
00:32:00: die ein Mädchengymnasium geleitet hat und die jetzt irgendwo sich versteckt
00:32:05: hält und auf der Liste der Taliban ist.
00:32:07: Dass so jemand würde man wahnsinnig gerne einladen können.
00:32:11: Oder Iran, die wunderbaren iranischen
00:32:14: Frauen, was die wirklich geschafft haben, auf die Straße zu gehen.
00:32:19: Das ist dann schon, dass man so demütig wird und dann auch an die Menschen denkt,
00:32:25: für die man dann nichts tun kann.
00:32:27: Aber im Rahmen dessen, was wir tun können, tun wir alles, tun unser Bestes und
00:32:34: wir haben ja auch tolle Leute, die dann auch eben ihr Leben retten können und Olivier es retten.
00:32:40: Und das wäre eine belastende Situation. Eine belastende Situation ist es manchmal
00:32:44: auch, wenn die Menschen, die hier bleiben müssen, dann die Idee des Stipendiums
00:32:50: ist ja, dass sie zurückkehren mit Kraft und Mut und mit guten Kontakten.
00:32:55: Ich versuche sie ja auch zu vernetzen in ihren Bereichen.
00:32:58: Wir wollen sie ja nicht von ihren Ländern weg abziehen, Sondern sie sollen ja
00:33:02: dort mit aller Kraft und Engagement wieder wirken.
00:33:06: Und wenn aber der eine oder andere nicht zurückgehen kann, weil für ihn das
00:33:11: bedeutet Gefängnis, im Iran bedeutet das für viele dann Gefängnis.
00:33:17: Dann sehe ich manchmal die Traurigkeit auch.
00:33:21: Es ist sehr schwer, hier Fuß zu fassen oder im Exil zu leben.
00:33:26: Selbst es ist gar nicht so, die, die hier geblieben sind, dass die nicht in
00:33:29: der Arbeit sind, sind sie die meisten.
00:33:31: Also die Künstler haben es noch am einfachsten, Journalisten haben es natürlich
00:33:35: nicht einfach, die schulen um auf soziale Berufe.
00:33:38: Sie sind schon eingebunden arbeitstechnisch, das ist es nicht,
00:33:42: sondern es ist einfach, etwas verloren zu haben.
00:33:45: Also im Exil zu leben, die Familie, die Freunde sind dort geblieben,
00:33:51: Schuldgefühle, ich bin jetzt in Sicherheit die anderen nicht.
00:33:54: Also das sind so Geschichten, die kommen so nah an mich ran und da ist dann,
00:33:59: ist nicht nervig, also es ist belastend. Und das war eine Doppelfrage,
00:34:04: was nervt oder was belastet.
00:34:06: Also das wäre eher der Part, wo ich so empathisch mitgehe und mir das vorstelle.
00:34:12: Weil ja auch meine Eltern, meine Mutter war Flüchtling.
00:34:16: Also ich kenne das von zu Hause aus Erzählung, was das bedeutet,
00:34:20: eine Heimat zu verlieren. Da, wo man geboren ist, ist ja Heimat.
00:34:24: Für mich ist Heimat Ostsee und oben in Flensburg natürlich.
00:34:27: Also da bin ich zu Hause, da kehre ich mich aus. Ich mag die Luft, ich mag die Skagen.
00:34:33: Und deswegen weiß ich, was das bedeutet. Also das wäre so, wo ich so mitlebe, mitgehe.
00:34:41: Wenn du bei all den Schicksalen, mit denen du konfrontiert warst und all den
00:34:46: Menschen, die du ja auch getroffen hast und treffen dürftest,
00:34:49: einen Moment aber rauspicken könntest, der besonders schön war,
00:34:52: würde dir da einer einfallen? Ja, sofort, ganz viele.
00:34:55: Aber einen, einen schönen. Ganz aktuell können die Hörer auch dann noch aktuell mitbekommen.
00:35:03: Also wir hatten ein belarussisches Autorenpaar eingeladen und der Alhierd BachareviÄ
00:35:11: hat ein Buch geschrieben, das nennt sich Europas Hunde.
00:35:15: Das ist übersetzt worden und das hat jetzt einen Preis bekommen und zwar den
00:35:22: Leipziger Buchpreis, der in diesem Jahr im März, wenn die Leipziger Buchmesse wieder anfängt,
00:35:28: ist ja eine dieser wunderbaren Messen, wird er ausgezeichnet für den Friedens-
00:35:33: und Buchpreis Leipzig und zwar mit diesem Buch. weil er da etwas geschaffen hat.
00:35:40: Völkerverständigung, einen wunderbaren Krimi auch. Also das fand ich ein wunderbares
00:35:46: Highlight, dass wir haben jemanden eingeladen, der dann,
00:35:49: eben nicht in Belarus mehr leben kann, weil er sonst würde, er würde sofort
00:35:54: im Gefängnis sein und sein Buch ist auch verbrannt worden in Belarus und verboten
00:35:58: sowieso, aber hier wird er jetzt ausgezeichnet.
00:36:02: Ein zweites, muss ich doch noch schnell sagen, im Moment auch aktuell,
00:36:06: ich sag mal das aktuelle, Mohammad Rasulov ist Filmregisseur aus dem Iran und
00:36:11: er ist Oscar nominiert, sein Film natürlich.
00:36:15: Die Saat des heiligen Feigenbaums, ein wunderbarer Film über den Iran, ganz aktuell.
00:36:23: Und Mohammad war unser Gast mit seiner Familie.
00:36:27: Zwar nicht aktuell, denn er ist zurückgegangen und man kennt ja seine Geschichte,
00:36:32: dass er dann nochmal wieder flüchten musste. Aber seine Familie war immer hier.
00:36:36: Seine Tochter hat hier Abitur gemacht, studiert Medizin.
00:36:40: Also wir waren diejenigen, die ihm schon mal aufgrund seiner sehr kritischen
00:36:45: Filme, er hat nie aufgehört, immer anzuecken mit den Regimen und immer kritische Filme gedreht.
00:36:52: Obwohl er sagte, die sind gar nicht politisch, sondern sie sind gesellschaftliche Themen.
00:36:56: Und ja, das sind so zwei Highlights, würde ich sagen.
00:37:00: Jetzt haben wir ja schon rausgehört, es waren unglaublich viele Stipendiatinnen
00:37:04: und Stipendiaten, denen wir natürlich irgendwie gern allen noch eine Bühne bieten würden.
00:37:08: Das schaffen wir jetzt gar nicht in unserem Podcast.
00:37:11: Aber wie viele waren das denn eigentlich?
00:37:13: Oder wie viele hast du inzwischen schon betreut? Hast du das mal gezählt?
00:37:16: Ich habe das nie gezählt. aber ich würde sagen über 200.
00:37:20: Ich könnte die aufschreiben, ich habe sie auch alle in Erinnerung.
00:37:23: Also ich habe ja nur ein Bild, ich bin ja ein Jahr mit ihnen zusammen und ich
00:37:26: setze mich auch mit ihnen zusammen.
00:37:28: Es ist nicht so, dass ich verwalte, das kann ich gar nicht leiden.
00:37:32: Also es gibt auch kein 9 to 5, es gibt keine Bürozeiten in dem Sinne,
00:37:36: sondern ich treffe mich mit ihm zum Café, wir machen eine Hafenrundfahrt,
00:37:40: wir machen einen Spaziergang oder was auch immer und dann höre ich zu, da höre ich viel zu.
00:37:46: Und insofern habe ich zu jedem noch ein Bild.
00:37:50: Und wir haben es natürlich schon angeschnitten, aber was sind denn so meistens
00:37:55: die Gründe, warum für sie dieses Stipendium, du hast es gesagt,
00:37:58: das Stipendium ist dafür da, dass sie eine Auszeit bekommen und dass sie dann
00:38:02: mit frischer Kraft zurück in ihr Heimatland gehen.
00:38:05: Was sind denn meistens die Gründe, warum sie sich um dieses Stipendium bewerben
00:38:10: oder vorgeschlagen werden? Die Gründe sind tatsächlich politische Verfolgung.
00:38:14: Das sagt ja auch schon unser Name, Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte,
00:38:19: obwohl der Untertitel ist in der Stimmen für die Freiheit. Finde ich auch schön.
00:38:23: Sie haben etwas geleistet. Sie sind Journalisten und durch ihre Texte und kritischen
00:38:29: Texte ecken sie an mit der Regierung oder mit irgendwelchen anderen Gruppen.
00:38:34: Das können islamistische Gruppen sein, das kann aber auch Todesschwadronen sein,
00:38:38: in Lateinamerika sehr üblich.
00:38:40: Es können linke Gruppen sein, es können Kolumbien mit den Rebellengruppen lassen,
00:38:47: auch Freiheit und Meinungsfreiheit nicht zu.
00:38:50: Kuba ist völlig diktatorisch geworden.
00:38:53: Also sie ecken an mit ihren Texten, mit ihren Reden, mit ihrem Tun, mit ihrem Engagement.
00:39:01: Und das hat dann unterschiedliche Auswirkungen von Verhaftung oder im Untergrund
00:39:07: leben müssen oder den Beruf verlieren.
00:39:09: Es gibt ja auch verschiedene Möglichkeiten, jemanden auch kaputt zu machen.
00:39:13: Alle diejenigen, die wir einladen, haben so eine Geschichte, so einen Hintergrund.
00:39:19: Und dann verbringen sie ein Jahr in der Regel hier und du hast gesagt,
00:39:24: kommen oft mit ihrer Familie,
00:39:25: du hast schon gesagt, ihr macht auch sowas Einfaches, Schönes,
00:39:28: so ein Touristenprogramm tatsächlich auch und sie arbeiten hier, treten öffentlich auf.
00:39:34: Was sind da für Sie, ich sag mal, oder vielleicht ist es auch sehr unterschiedlich
00:39:38: bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten, also wollen viele eher einfach die
00:39:42: Ruhe nutzen zum Beispiel zu schreiben oder wollen viele vor allem hier in die
00:39:46: Stadtgesellschaft reinwirken beispielsweise?
00:39:48: Das kommt so ein bisschen auf den Beruf auf an.
00:39:51: Also wir haben zwei Schriftsteller im letzten Jahr eingeladen,
00:39:57: der Alhierd BachareviÄ und der Yavuz Ekinci, einer Belarus,
00:40:01: der andere Türkei und die schrieben.
00:40:03: Das sind Romanciers, die saßen da wirklich. Wir haben natürlich auch schöne
00:40:08: Wohnungen ausgestattet mit immer einem Schreibtisch natürlich und da saßen sie
00:40:14: und schrieben und schrieben neue Werke.
00:40:18: Also Yavuz ist ganz glücklich, dass er seinen Roman, seinen nächsten Roman hier
00:40:22: in Hamburg geschrieben hat, hat er gesagt. Also der wird jetzt veröffentlich
00:40:26: auf Türkisch in der Türkei zuerst natürlich.
00:40:30: Und das ist so, andere wollen auch in die Gesellschaft reinwirken,
00:40:34: das stimmt. Also der Journalist aus Sri Lanka zum Beispiel.
00:40:38: Andere wollen, dass Europa, sag ich mal, im größeren Sinne, aber auch Deutschland
00:40:43: sensibilisiert wird für das Thema ihrer Länder.
00:40:48: Sie sagen auch oft, es ist eine der
00:40:51: typischen Fragen, was kann Europa oder Deutschland denn tun für ihr Land?
00:40:55: Es wird oft gefragt in Veranstaltungen und da kommt ganz viel.
00:40:58: Die sagen, das ist ganz wichtig, EU-Delegationen in unserem Land,
00:41:02: Äthiopien zum Beispiel.
00:41:04: Oder deutsche Botschaften, die auftreten und das auf dem Schirm haben, was bei uns läuft.
00:41:11: Das ist beides, das geht in beide Richtungen, glaube ich.
00:41:14: Dass die einen, die mehr so politisch engagiert sind, wollen dann mit Politikern
00:41:20: reden und die anderen im Kunstbereich wollen, gucken sich die Fotografie oder
00:41:25: die gehen ins Literaturhaus, suchen sich ihre Kollegen.
00:41:29: Also das vernetzt sich dann alles immer. Und es gab mal jemanden als Beispiel,
00:41:34: der war Fotograf aus Tschetschenien, konnte kein Englisch und sagte,
00:41:38: mein großer Traum ist einmal nach Afrika.
00:41:41: Aber das kann ich ja nicht. Wie soll ich das schaffen? Aus Tschetschenien kam
00:41:44: ich sowieso nie hin. Jetzt bin ich hier, kann kein Englisch.
00:41:48: Und wie soll ich da hingehen? Ich habe gesagt, Moment, habe ich dann gesagt.
00:41:52: Du bist Fotograf und vor dir war gerade ein Kulturjournalist aus Zimbabwe.
00:41:57: Da musst du eben nach Zimbabwe. Ich rufe den an, der ist zurückgegangen und
00:42:01: ich frage ihn, ob er dich empfangen kann in Harare und so war es.
00:42:05: Also der tschetschenische Fotograf fuhr nach Harare und Maxwell holte ihn ab.
00:42:12: Maxwell hatte wieder Freunde, die auch russisch konnten und dann hat er da wunderbare
00:42:17: Zeit verlebt, der tschetschenische Fotograf, weil Maxwell ihn auch mitnahm in sein Dorf.
00:42:22: Da konnte er ganz tolle Fotos machen und hat natürlich auch die Victoria Falls
00:42:27: fotografiert und kam völlig beseelt wieder und hat später, als sie zurückging
00:42:32: nach Korsnay, eine Ausstellung über afrikanisches Leben.
00:42:37: Und dann haben die beiden sich auch noch einen kleinen Witz erlaubt,
00:42:40: das ist alles viel zu lang, aber sie haben Maxwells Mutter eine Tscheschenischsprachige
00:42:45: Zeitung in die Hand gedrückt. Das hat er dann abfotografiert und den Scherz gemacht.
00:42:50: Wir haben sogar eine kleine Community an Tschetschenen da in Zimbabwe im Dorf
00:42:54: sowieso. Das war natürlich nur ein Spaß.
00:42:57: Und das hatte aber wahnsinnige Wellen dann geschlagen in Tschetschenien,
00:43:01: weil das ging ein bisschen mit Wahrheit und Nicht-Wahrheit durcheinander.
00:43:05: Dann kamen Politiker und sagten, oh, wir haben da tatsächlich eine kleine Community
00:43:09: in Afrika, bis sich das auflöst. Das hat der Fotograf natürlich schnell aufgelöst.
00:43:13: Aber diesen Spaß und das ist auch drin als Geschichte, dass ich sage,
00:43:20: was möchtest du hier machen? Und da gucken wir mal.
00:43:22: Dann kann es auch mal sein, dass es Tschetschenien nach Zimbabwe geht.
00:43:26: Und ich sage auch immer, viele sagen auch, Paris ist ein Traum oder Rom,
00:43:31: einmal Rom sind, sage ich ja, fahr hin.
00:43:33: Du hast jetzt eien Aufenthaltserlaubnis, du hast das Geld dazu durch das Stipendium, fahr hin.
00:43:38: Und in Rom kenne ich jemanden und ich kenne ja nicht jemanden in Paris,
00:43:41: hol dich erstmal ab und zeig dir was.
00:43:43: Also ich finde das wunderbar, dieser Kulturaustausch und Völkerverständigung.
00:43:48: Und Sihem Bensedrine zum Beispiel, die in Tunesien hat gesagt,
00:43:52: Hamburg ist meine zweite Stadt, meine zweite Heimatstadt. Ich habe so gute Erinnerungen
00:43:57: und ich habe mich so wohl gefühlt. Und das finde ich toll.
00:44:01: Das klingt so unglaublich schön. Und dann stelle ich mir natürlich den Moment
00:44:05: der Abreise besonders schwer vor.
00:44:07: Also nach dem Ablauf des Stipendiums wollen ja auch die Stipendiaten und Stipendiatinnen
00:44:13: zurück nach Hause, um dort weiterzuwirken.
00:44:16: Wie schwer fällt dir das und wie schwer fällt es auch meist den Stipendiatinnen?
00:44:21: Ich würde fast sagen, mir fällt es schwerer, weil ich so eine Beziehung aufgebaut
00:44:25: habe und wir irgendwie ein Jahr lang uns begleitet haben,
00:44:32: auch voneinander gelernt haben und dann bringe ich sie zum Flughafen und dann geht es nach Hause.
00:44:38: Aber viele freuen sich darauf.
00:44:40: Sie haben ja auch Familie, Großeltern, Freunde und Schwestern dort,
00:44:45: Brüder, die Sprache und sie haben ihre Aufgabe da.
00:44:49: Also hier ist das ja so ein bisschen, also nennt sich ja auch Auszeit.
00:44:54: Ist auch kein Flüchtlingsprogramm überhaupt nicht. Die sagen auch alle,
00:44:57: ich bin kein Flüchtling und ich bin auch nicht im Exil. Ich nehme eine Auszeit von allen.
00:45:02: Und ob es ihnen so schwer fällt, also ich kenne viele, die einfach auch wahnsinnig
00:45:06: gerne dann wieder zurückgegangen sind, weil sie eben auch sich neue Pläne gemacht
00:45:14: haben oder mit neuen Kontakten.
00:45:16: Sie sind auch verbunden mit den deutschen Botschaften, das arrangieren wir dann
00:45:20: auch, dass da auch vielleicht neue Projekte entstehen.
00:45:24: Also da ist etwas Neues entstanden. Das ist ja auch die Idee,
00:45:27: dass man irgendwie mal sich zurücklehnt und über den Tellerrand rausguckt.
00:45:33: Wenn man immer irgendwo in einen bestimmten Weg läuft, dann weiß man ja nicht von rechts und links.
00:45:41: Und hier ist nochmal den Horizont erweitern und da kommen ganz viele tolle Sachen auch bei raus.
00:45:46: Und ja, so traurig empfinde ich die gar nicht. Wir winken uns dann noch zu,
00:45:51: aber wir bleiben ja auch in Kontakt.
00:45:52: Ich habe unheimlich viel Kontakt noch zu den Menschen, die bei uns waren und
00:45:56: dann höre ich auch, was sie machen.
00:45:57: Und Yavuz Ekinci zum Beispiel, der jetzt seinen neuen Roman in Hamburg geschrieben
00:46:03: hat, der geht zurück nach Istanbul und hat mich eingeladen, ich soll ihn besuchen.
00:46:08: Das mache ich dann auch ganz gerne und wird da sein Publikum haben,
00:46:12: seine Lesungen und seine Aktivitäten.
00:46:15: Und wenn die Menschen zurückgehen, du hast gesagt, ihr verbindet sie auch zum
00:46:18: Beispiel mit der deutschen Botschaft vor Ort.
00:46:20: Sind die längerfristig geschützt durch eure Arbeit, durch ihren Aufenthalt hier?
00:46:26: Oder ist es eher gefährlich für sie, dass sie diese Auszeit genommen haben,
00:46:30: in Hamburg waren und offen darüber gesprochen haben, das und wie sie verfolgt wurden?
00:46:33: Bisher habe ich immer gern gesagt, dass das Stipendium schützt im Sinne von,
00:46:39: dass sie nach Europa eingeladen worden sind, nach Deutschland und dass so autoritäre
00:46:45: Staaten es eigentlich vermeiden, sich einen schlechten Ruf zu erarbeiten oder
00:46:49: mit Europa irgendwie anzuecken, indem sie dann denjenigen wieder irgendwo zusetzen.
00:46:54: Das hat auch ganz, ganz lange gestimmt.
00:46:56: Das sagt Amnesty International auch immer, gib ihm Namen, dann ist es öffentlich.
00:47:01: Und wir gehen ja öffentlich mit den Menschen vor.
00:47:07: Und insofern waren sie über all die Jahre doch geschützt.
00:47:11: Jetzt empfinde ich etwas anderes. Es wird zunehmend anders, autokratischer, respektloser.
00:47:19: Putin hat es vorgemacht. Ich mache, was ich will. Ich überfalle ein Land.
00:47:24: Andere fühlen sich ermutigt, auch gegen ihre Leute vorzugehen.
00:47:28: Und egal, was Europa sagt, Europa hat nicht mehr so dieses Gewicht, wie es das mal hatte.
00:47:35: Und ich wünschte mir, dass es wieder so wird.
00:47:38: Und insofern kann man sich nicht mehr so ganz sicher sein, wie groß der Schutz ist.
00:47:44: Es gibt, aber das wissen auch die Stiftungsgäste selbst am besten.
00:47:49: Es gibt eine Mexikanerin, die sich mit der Mafia angelegt hat in Mexico City
00:47:54: und auch mit Politikern, die mit der Mafia zusammengearbeitet haben.
00:47:58: Insofern war sie natürlich im Fokus und im Schussfeld.
00:48:02: Und sie sagte, wenn ich zurückgehe, werde ich erstmal nichts schreiben,
00:48:05: werde weder als Journalistin arbeiten, noch werde ich noch ein weiteres Buch schreiben.
00:48:10: Ich werde erstmal an der Universität Literatur unterrichten.
00:48:14: Ich werde erstmal Gras drüber wachsen lassen.
00:48:17: Also die können auch einschätzen, wie das ihre Gefährdung steht und wie weit
00:48:22: sie sich vorwagen können.
00:48:24: Also wenn jemand mir sagt, ich kann nicht sprechen, hier in Hamburg,
00:48:27: wunderbar, dass ihr mich eingeladen habt, aber ich kann nicht auftreten,
00:48:30: weil das bedeutet für meine Familie dieses oder jenes, das respektieren wir dann auch.
00:48:35: Also wünschenswert, wir wollen gerne, dass auch die Stiftung dann da mitgenannt
00:48:41: wird und dass sie auch etwas tun können.
00:48:42: Aber wenn jemand sagt, zum Beispiel ein Stiftungsgast aus Myanmar,
00:48:48: meine Kinder sind noch da oder es hat, das ist eine Militärjunta in Myanmar,
00:48:55: das hat dann unheimliche Auswirkungen.
00:48:57: Ich muss mich jetzt hier erstmal unter dem Radar bewegen, dann ist das auch
00:49:01: in Ordnung. Das ist selbstverständlich, dass wir das akzeptieren.
00:49:07: Dann hätte ich noch eine Abschlussfrage an dich und zwar machen wir ja am gegen
00:49:11: Ende der Podcast-Folge immer Friedrichs Flaschenpost beziehungsweise deine Flaschenpost
00:49:16: an die Zukunft und was ist deine Vision für eure Arbeit in sagen wir zehn Jahren?
00:49:21: Da wünschte ich mir natürlich, dass wir gar nicht mehr notwendig wären.
00:49:26: Es wäre ja viel schöner, wenn diese schöne Stiftung, die ja so viel Erfahrung
00:49:30: hat in Einladen und Vernetzen,
00:49:33: dass sie nicht mehr politisch verfolgte Künstler, politisch verfolgte Journalisten
00:49:38: oder Wissenschaftler einladen muss, sondern ohne dies politisch verfolgte,
00:49:41: dass es ein Kulturprogramm will.
00:49:43: Ein Kulturstipendium, was immer noch toll ist als Austausch,
00:49:48: als wir vernetzen uns als Länder, wir lernen voneinander, das wäre schön.
00:49:54: Aber ich glaube, ein bisschen.
00:49:56: Utopie, weil es wird wohl immer politische Verfolgung geben,
00:50:02: weil es gibt immer Menschen,
00:50:03: die andere runterdrücken und die komische Ideologien verfolgen und sich abgrenzen,
00:50:12: abschotten, reicher werden.
00:50:14: Aber es wäre mal eine Utopie, dass diese Stiftung erhalten bleibt,
00:50:19: aber die politische Verfolgung nicht mehr im Namen tragen muss,
00:50:23: sondern sich öffnet für was anderes.
00:50:26: Da drücke ich die Daumen und ansonsten hoffe ich, dass ihr auch in zehn Jahren
00:50:29: noch eure Arbeiten macht, auch für und besonders für die politisch Verfolgten,
00:50:33: wenn es die dann noch geben wird.
00:50:36: Damit sind wir leider schon am Ende unserer 84. Folge von Friedrichs Flaschenpost,
00:50:40: dem Politik-Podcast aus Norddeutschland von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:50:44: Ich danke euch, liebe Hörerinnen und Hörer und ich danke natürlich auch dir,
00:50:48: liebe Martina Bäurle Danke euch.
00:50:51: Ich freue mich, dass wir uns im Frühling, ich glaube, ein Datum haben wir noch
00:50:54: nicht, aber im Frühling sehen wir uns schon wieder zur nächsten gemeinsamen Veranstaltung.
00:50:58: Die werden wir dann auf unseren Webseiten auch publizieren für das interessierte Publikum.
00:51:02: Da werden wir uns wiedersehen mit einem interessanten Stipendiaten oder einer
00:51:07: interessanten Stipendiatin der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.
00:51:11: Wir sprachen nämlich heute auch mit deren Geschäftsführerin Martina Bäurle.
00:51:15: Tschüss und bis zur nächsten Folge, sagt Christine Strotmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:51:20: Macht es gut und wie immer bleibt politisch.